Brief vom anderen Ende der Welt

Ich weiß nicht, wie ich beginnen soll. Aber trotzdem tue ich es (irgendwie). Einleitend muß ich mich dafür entschuldigen, daß ich nicht den Mut dazu aufbringe mit Dir von Angesicht zu Angesicht zu reden, und nicht fähig bin dieses hier mit Hand zu schreiben. Vor ein paar Tagen redeten wir über unsere Beziehung, und nun ziehe ich ein Resumee über die vergangenen Monate. Diktiert von meinen Gefühlen.

Wir lernten uns kennen in einer Zeit, in der ich mir keine Beziehung mit einem anderen Menschen vorstellen konnte (ich hatte einfach zu lange keine), und doch immer den Wunsch dazu tief in mir verspürte, unbewußt. Und erst als wir eine Nacht miteinander verbrachten, wurde mir immer mehr bewußt, daß ich auf eine Beziehung, egal welcher Art, zusteuere. Das ich mich in Dich schon vorher verliebte sei nur am Rande bemerkt. Ich war glücklich wie schon lange nicht mehr. Wir sahen uns täglich und waren nie länger als 24 Stunden getrennt. Und es verging eine sehr angenehme Zeit …

Je fester unsere Beziehung wurde, desto glücklicher war ich. Als Du mich endlich Deinen Freund nanntest, hätte ich vor Glück weinen können. Ich fühlte mich geehrt und geliebt, war glücklich und zufrieden wie ein kleines Kind. Ich dachte, so muß es im Himmel sein, dieses Gefühl zu lieben und geliebt zu werden. Ich fand nichts, was mir mißfiel. Doch, etwas gab es: die Angst, daß diese Zeit irgendwann einmal enden würde! Aber ich verdrängte diese Angst und liebte und schätzte Dich, wie eine Rose die aufblüht. Ich war verzaubert und in einen Bann gerissen, von Dir und Deiner Schönheit. Die Welt hätte untergehen können, ich hätte es nicht gemerkt. Es scheint so, als hätten wir keine Tiefpunkte in unserer Beziehung gehabt, aber es gab sie. Doch jetzt sind sie unwichtig für mich, rückblickend.

Bis zum heutigen Tag. Die Beziehung hat mich irgendwie, über diese angenehme Zeit hinweg, zweigeteilt. Ich kann noch nicht einmal sagen, daß ich Dich nicht mehr liebe. Ich liebe Dich mehr als jemals zuvor, und ich meine diese wahre Liebe, nicht irgendein Wort für Zuneigung. Nein, Liebe. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Ich fühle mich zweigeteilt. Zwei Teile, die unabhängig von einander existieren, sich gegenseitig verneinen und dennoch aneinander gekettet sind. Die zweite Hälfte von mir liebt Dich nicht. Sie empfindet einfach nichts für Dich. Diese beiden Teile geraten eigentlich nie aneinander, nur wenn ich Dich sehe, fühle, schmecke, höre und rieche. Dann merke ich, daß ich Dich liebe. Und das alles nur am Anfang, wenn ich Dich sehe. In der Zeit, die wir miteinander verbringen, liebe ich Dich einfach und bin glücklich. Aber sobald ich von Dir getrennt bin, geht es mir genauso gut ohne das ich Dich vermisse oder sogar liebe. Aber das ist auch nicht ganz richtig. Denn in diesen Zeiten gibt es Augenblicke, in denen sich meine liebe zu Dir mit einer absoluten Leere abwechselt, wie das ticken einer Uhr – Tick Tack.

Nach diesem Gespräch vor ein paar Tagen wurde mir dies alles ganz langsam bewußt. Ich hatte in der Nacht zuvor eigentlich die Entscheidung gefällt, mich von Dir zu trennen. Doch als ich Dich sah, war ich gar nicht mehr so sicher, ich beschrieb Dir sogar
meine Zweiteilung. Und je länger ich mich in Deiner Anwesenheit befand, desto mehr merkte ich, wie stark ich Dich liebe und wie
wenig ich eine Trennung wollte …

Dein, Dich liebender, …